Spiegel, 31, 29.07.2002, Kulturpolitik

"Es ist fünf Minuten vor Mitternacht"

Der Schauspieler Udo Kier, 57, wohnt in Los Angeles und spielt regelmäßig in Hollywood-Produktionen mit. Der gebürtige Kölner kritisiert den geplanten Abriss des 1967 gebauten Josef-Haubrich-Forums in Köln.

Spiegel: Herr Kier, Sie wurden berühmt als Film-Bösewicht. Sie spielten mit Stars wie Bruce Willis und Catherine Deneuve. Vor kurzem haben Sie die Rolle des Kulturwächters übernommen - in einem Video der Künstlerin Rosemarie Trockel verlesen Sie Protestschreiben gegen den Abriss des Josef-Haubrich-Forums. Warum der Einsatz?

Kier: Gerade die Kunsthalle, die in dem Forum untergebracht ist,spielt in meinen Erinnerungen eine wichtige Rolle. Als Jugendlicher habe ich mich oft vor ihrer Tür verabredet. Bevor ich nach Los Angeles zog, habe ich dort schöne Abende mit Künstler-Freunden verbracht, etwa mit Marcel Odenbach oder Sigmar Polke.

Spiegel: Die Kunsthalle ist ein kastenartiger Bau des Architekten Franz Lammersen, das auffälligste Element ein Relief an der Fassade - alles zusammen schön hässlich.

Kier: Ich finde es reizvoll. Der Reiz liegt in der Schlichtheit des Gebäudes und darin, dass es trotzdem einladend wirkt. Vor allem gehört es zum Kölner Stadtbild wie der Dom. Außerdem haben hier viele wichtige deutsche Künstler früh ausgestellt, etwa Georg Baselitz. Joseph Beuys hat die Kunsthalle sogar einmal gestürmt und sie damit berühmt gemacht. Das Haus ist ein Symbol für eine wichtige Architektur- und Kunstepoche.

Spiegel: Nun will sich das Land Nordrhein-Westfalen daran beteiligen, an dieser Stelle einen neuen, 60 Millionen Euro teuren Museumskomplex zu bauen - was ist so schlimm daran?

Kier: Der Entwurf des neuen Baus zeigt, dass es sich um keinen angemessenen Ersatz handelt. Was da an den Kölner Neumarkt gesetzt werden soll, ist ein abweisender Kulturriegel, der jeden Besucher abschrecken muss.

Spiegel: Im August sollen die Bagger anrollen - glauben Sie noch an eine Rettung des Hauses?

Kier: Es ist fünf Minuten vor Mitternacht. Das Beste wäre, alle Kölner würden sich zu einer spontanen Demonstration einfinden.
 

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